Silja Schrank-Steinberg, kurz zusammengefasst: Sie ist die Enkelin des Wienerwald-Gründers Friedrich Jahn, zusammen mit ihrem Vater und Bruder Geschäftsführerin des Hofbräu-Kellers am Wiener Platz in München und Wiesnwirtin des Hofbräu-Festzeltes auf dem Oktoberfest, Mutter zweier Kinder und bei all dem eine Frau mit einer ungeheuer herzlichen Ausstrahlung. Genug Stoff für ein Interview, das auch doppelt so lange hätte werden können (auch wenn ja online nicht mehr gelesen wird 🙂 )
Sie sind mit der Gastronomie aufgewachsen. Wienerwald mit allem Auf und Ab auf der einen Seite, Hofbräu-Keller und Hofbräu-Festzelt auf der anderen Seite. Wie hat sie das geprägt?
Also, als ich ganz klein war, ging es uns natürlich so richtig gut. Dann aber kam die Insolvenz und alles war schnell ganz anders. Bewusst hab’ ich also eher die Phase erlebt, in der es schlecht ging. Welche Konsequenzen man daraus zieht, ist aber, glaube ich, auch eine Typ-Frage: Trotz aller Schwierigkeiten, haben ja auch meine Eltern immer weiter gemacht und ich hab’ das alles geliebt: die vielen Menschen und die Action. Nie und und nimmer hätte ich irgendeinen Bürojob annehmen können oder studieren wollen. Ich bin der Praktiker, wollte immer anpacken und deswegen war mir eigentlich immer klar, dass ich in die Gastronomie wollte.
Sie haben dann im Sheraton in München die Ausbildung zur Hotelkauffrau gemacht. Danach stand Ihnen die Welt offen. Aber dahin hat es sie gar nicht gezogenNein, ich bin eher so ein „Heimkind“, habe alle meine Freunde schon seit Kindheitstagen hier in München und deswegen wollte ich dableiben. Man muss auch nicht unbedingt in die Welt, um zu lernen. Im Sheraton habe ich vor allem aufgesaugt, wie man Gastronomie wirtschaftlich geschickt hinbekommt. Dann bin ich zu einer Gastronomieberatung, mit der wir Autobahnraststätten kontrolliert und auf Konzepttreue geprüft und begleitet haben. Diese Tipps und Tricks, wie man Umsatz generiert und das Management eines solchen Betriebes, haben mich total fasziniert.
Sie haben also selbst am Hendl-Grill gestanden?
Klar, ich wollte nie den Tochterbonus. Fünf Monate lang habe ich in allen Aufgabengebieten, die in einem Wienerwald-Konzept vorhanden sind, Erfahrungen gesammelt. Bis ich schließlich ein eigenes Lokal in München übernommen habe.
Waren die Mitarbeiter dort begeistert über die „prominente“ Leitung?
Naja, als ich den Laden übernommen gab es Mitarbeiter, die haben dort schon so lange gearbeitet, wie ich damals alt war: 22 Jahre. Und da kam ich und wollte so einiges umkrempeln! Und zwar nicht als Tochter oder Enkelin, sondern weil ich das Wissen und viele Ideen von meiner bisherigen Arbeit mitgebracht habe. Das fing mit so einfachen Sachen wie einer Putzcheckliste an. Ich wollte es allen beweisen, war morgens die erste und abends die letzte im Betrieb. So schön das war, es war auch anstrengend. In meinem Büro (etwa 1,5x 1,5m) hing ein Telefon an der Wand und da saß ich dann manchmal drin und hab’ meinen Mann angerufen und mein Leid geklagt. Das war ja auch eine psychische Belastung.
Zum ersten Mal Chefin war sicher kein Honigschlecken.
Nein, denn zur Personalführung gehört eben auch, dass man durchgreifen muss. Da gab es zum Beispiel einen Mitarbeiter, mittleren Alters, der den Anforderungen einfach nicht entsprach. Also musste ich ihm kündigen. Für mich war das damals so furchtbar, dass ich tagelang nicht schlafen konnte, weil ich wusste, dass ich damit sein – zumindest momentanes – Leben zerstöre. Oder einer, der Alkoholiker auf Entzug war. Als ich dann einmal unangekündigt reingekommen bin, hab’ ich ihn leider wieder mit der Flasche erwischt. Und dann musst du die Konsequenzen ziehen, obwohl es dir schwerfällt. Und du willst ja auch nicht arrogant und von oben herab rüberkommen, aber letztendlich geht es eben ums Geschäft. Es ist wichtig, sich auch um die Mitarbeiter zu kümmern, aber das hat seine Grenzen. Das habe ich sehr schnell gelernt. Und ich glaube, ich hab’s auch ganz gut hingekriegt, denn der Laden lief super. Und bei all den ersten Kämpfen wurde für mich immer klarer, dass das genau der Weg ist, den ich weiter gehen will.
1995 haben Ihre Eltern den Hofbräu-Keller am Wienerplatz in München übernommen und Sie haben angefangen, auch dort mitzuarbeiten,
Ja, aber es wurde schon bald mein Hauptgeschäft, denn die Zweiteilung zwischen dem Wienerwald-Lokal und dem Hofbräukeller war irgendwann nicht mehr möglich. Also habe ich mich für den Hofbräukeller entschieden Das war damals allerdings auch einen Riesen-Baustelle. Wir, die Familie, hatten ja das Haus mit allen Mitarbeitern übernehmen müssen. Aber von vielen mussten wir uns trennen, also nach und nach ein neues Team zusammenstellen, das ganze Haus kennenlernen. Aber es war auch eine spannende Zeit.
Wir haben damals ja sogar im Haus gewohnt, waren also 24 Stunden anwesend. Einen echten Feierabend gab es nicht. Aber trotzdem war das alles immer meine Welt. Ich glaube, das ist vor allem diese Liebe zu den Menschen zu Mitarbeitern und Gästen und steckt eben in einem drin oder nicht. Ich stand ja auch schon mit acht im Hofbräu-Festzelt auf der Wiesn, als das meine Eltern übernommen haben.
Nur, dass Sie damals wahrscheinlich nicht daran gedacht haben, selbst mal Wiesn-Wirtin zu sein?
Also meine Mutter erzählt, dass ich schon beim Aufbau des Zeltes immer auf dem Hopfen stand (der in unserem Zelt aufgehängt wird) und gekräht habe: „Ich will Wiesnwirtin werden“. Sehen Sie, und das hat sich nie geändert!
Allerdings gibt es ja viele, die – vielleicht nicht so spezifisch Wiesnwirtin – aber doch „in die Gastronomie“ wollen, weil man da „so viel mit Menschen zu tun hat“. Aber es ist eben auch ein hartes Geschäft.
Ja, aber das kannte ich. Mein Vater war fast nie daheim. Meine Mutter ist natürlich schon mal mit uns zum Skifahren gefahren oder so (mache ich ja heute mit meinen Kindern auch) aber den klassische Zwei- oder Drei-Wochen-Urlaub kannte ich nie. Seitdem ich arbeite hatte ich ein einziges Mal drei Wochen Urlaub. Und dann bin ich in der dritten Woche auch super unruhig geworden, weil ich das einfach nicht kannte, nur so rumsandeln. Wobei – man wird ja auch älter, und jetzt mit den Kindern sehe ich ja auch ein paar Sachen aus einem anderen Blickwinkel. Aber wie bei jedem Beruf, wenn man Erfolg haben will muss man sich voll einsetzen.
Aber gerade für Frauen kommt (auf alle Fälle in unserer aktuellen Gesellschaft) ja irgendwann das Thema Kinder auf den Tisch …
Ja. Als ich 2001 mit meinem ersten Kind schwanger war, stand ich ja auch vor der Entscheidung, weiterzumachen oder es sein zu lassen. Und diese Entscheidung ist mir auch nicht leichtgefallen und manchmal habe ich die beneidet, die zumindest mal drei Monate ganz zu Hause geblieben sind. Denn ich bin ja nach drei Wochen wieder im Hofbräukeller gestanden. Eine Idee, die sich als sehr positiv herausstellte, war die Einrichtung unseres Kinderlandes. Kinder wurden von 9.00 Uhr morgens in einem Bereich betreut, während die Eltern in Ruhe essen können. Dort hab’ ich dann meinen Sohn abgegeben. Und mittags hab ich ihn im Büro meines Vaters ins Bett gelegt. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, ob ich das heute noch genauso machen würde – oder ob ich mich nicht doch wenigstens mal ein halbes Jahr rausnehmen würde.
Es gibt auch bei mir Phasen, da kann ich gar nicht abschalten, selbst wenn ich mal zwei Stunden Luft hätte, und das ist nicht gut. Deswegen gibt es auch unser Heiligtum: Pfingsten zwei Woche Familienurlaub und im Winter so oft wie möglich zum Skifahren. Das brauchen wir auch als Familie. Mein Sohn wird dieses Jahr zu Wiesn schon 17. Die Zeit vergeht so schnell.
Ihr Sohn ist zur Wiesn auf die Welt gekommen?
Ich habe im Januar erfahren, dass ich schwanger bin und als mir der Arzt mitgeteilt hat, der Geburtstermin sei der 22. September, hab’ ich gesagt: „Das geht nicht!“ (lacht) Dann bin ich zu meinem Vater, der total begeistert war, jetzt sein zweites Enkelkind zu bekommen – bis ich ihm den Termin genannt habe. Sein Kommentar: „Also das hättest Du jetzt auch besser planen können.“
Letztendlich kam mein Sohn dann am 23. September. Aber am 3. Oktober hab ich es nicht mehr ausgehalten, hab’ mein Baby geschnappt und bin zu uns ins Zelt ins Stüberl‘ und hab’ dort ein Hendl gegessen. Ganz ohne Wiesn, das wäre nicht gegangen. Allein schon der Duft und die Atmosphäre, wenn du durch das Zelt gehst – damit verbinde ich mein ganzes Leben.
Ihr Bruder Friedrich (Ricky) und Sie sind seit 2012 mit Ihren Eltern Mitbetreiber des Zeltes, also echte Wiesnwirte. Hatten Sie je das Gefühl, dass sie als Wiesnwirtin nur als Anhängsel betrachtet wurden?
Überhaupt nicht. Das einzige ist, dass manchmal Leute glauben, Ricky sei mein Mann. (sie grinst)
Aber sonst gar nicht. Wir teilen uns das aber auch ganz gut auf. Er macht zum Beispiel diese ganzen technischen Angelegenheiten, das ist Männersache. Und ich bin diejenige, die im Zelt am Gast ist. Diese Aufteilung haben wir von unseren Eltern übernommen-
Sie haben ca. 400 Mitarbeiter im Hofbräu-Zelt und natürlich die Musikkapelle. Und das alles nur für 16 Tage?
Ja, aber trotzdem entsteht eine ganz familiäre Atmosphäre. Dazu muss man auch wissen: 95 Prozent der Mitarbeiter kommen jedes Jahr wieder. Und immer wieder erleben wir sehr persönliche Geschichten. Vor ein paar Jahren habe ich erfahren, dass Willi Heide, der langjährige und leider 2011 verstorbene Wirt des Bräurosl-Zeltes einmal mit seiner ganzen Kapelle spielender Weise zum Riesenrad vorgegangen ist. Dann sind sie alle zusammen einmal damit gefahren und wieder zurück ins Zelt.
Diese Idee habe ich jetzt auch für uns übernommen. Einer der Musiker, der wegen einer Behinderung lange nicht das Zelt verlassen konnte, war auch dabei und hinterher so stolz, dass er der Kapelle extra einen Riesenradwalzer geschrieben hat. Abgesehen von dem Kapellenausflug nehmen dieser Musiker und ich uns jetzt jedes Jahr ein anderes Fahrgeschäft vor, in das wir uns beide trauen. Letztes Jahr war es dieses hohe Kettenkarussell. Es war ein Montag nach dem Hauptgeschäft und schon dunkel. Das war phantastisch – und er meinte, das werde er nie vergessen.
Mal ein Blick in die Zukunft? Sie sagen, man hasst oder liebt die Gastronomie? Wie sieht das bei Ihren Kindern aus?
Beide helfen gerne und mit großen Spaß auch mit, wenn wir hier im Hofbräukeller besondere Veranstaltungen haben. Aber eine echte Wirtin sehe ich heute schon in unserer Tochter.
Ich denke mal, wenn die Eltern etwas mit Freude vorleben, dann sind die Kinder auch mit Spaß dabei.
Ja und ich finde es auch gut, dass sie schon früh sehen: Von nix kommt nix. Wir leben ja wirklich schön und es geht uns sehr gut, aber bei solchen Gelegenheit merken sie selbst: Der Erfolg fällt einem nicht in den Schoß und die Kinder spüren schon in jungen Jahren, dass man hinlangen muss.
Ihre Familiengeschichte zeigt natürlich auch beispielhaft, was alles möglich ist und wie schwierig es werden kann.
Diese Geschichte ist meine Vergangenheit und wird auch meine Zukunft sein. Die Liebe zu den Menschen und das Dienen im wahrsten Sinn des Wortes macht mir einfach Freude.
Wir haben Auf und Abs, wir haben Stress und Ruhe, das Privatleben und das öffentliche Leben. Die Balance zu halten, ist halt nicht immer ganz einfach, gerade für uns Frauen, die wir doch sehr emotional geprägt sind. In den besonderen Stresszeiten, wie Wiesn oder Biergartenzeit, frage ich mich manchmal selbst: Wie schaffe ich da eigentlich? Aber ich habe so ein paar für mich ganz wichtige Regeln, die ich mir immer wieder bewusst mache;
Verraten Sie mir die wichtigsten dieser Regeln?
Bleiben Sie immer Sie selbst. Verkörpern Sie die Liebe zu den Menschen und übertragen sie das auch in Ihre Dienstleistung und ihren Service. Und suchen und finden Sie Quellen der Ruhe und Kraft. Das ist so wichtig, sich zwischendurch wieder raus zu ziehen.
Pflegen Sie die Geborgenheit in ihrer Familie, das ist etwas, aus dem ich ungeheure Kraft ziehe, und unterstützen Sie Ihre Kinder, wenn sie welche haben, aber auch ihre Mitarbeiter dabei, ihr Potential zu entfalten. Es ist der Wahnsinn, was da zurück kommt!
Zurückgeben können die Steinbergs übrigens auch mit ihrer Stiftung „’s Münchner Herz“, die Margot und Günter Steinberg 2012 gegründet haben:
„Und zwar denjenigen, die nicht so ganz in das perfekte Münchner Bild passen. Mit den Spenden vieler großzügiger und -herziger Freunde und Unterstützer setzen wir uns für Kinder, Jugendliche und Erwachsene ein, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Ob Hausaufgabenhilfe, Unterstützung bei Bewerbungen, Jugend- und Nachbarschaftstreff oder gezielte psychosoziale Unterstützung für Menschen jeden Alters – mit oder ohne Migrationshintergrund: Wir helfen, damit Münchner Bürger Kraft bekommen, um sich selbst zu helfen.“
Über die Familie von Silja Schrank-Steinberg gibt es auch zwei sehr interessante Bücher, die gleichzeitig auch eine Art historischer Spiegel, nicht nur für Münchner sind: Das Buch Ihres Großvaters Friedrich Jahn „Vom Kellner zum Millionär und zurück“ und das ihrer Eltern Margot und Günter Steinberg „Maßvoll – Ein Leben mit Bibel und Bier“.
Und ein bisschen mehr über die Wies’n steht hier bei den Culinary Ladies auch im Artikel „Zwei Frauen – zwei Wiesnwirtinnen“